ich mache meistens viele Dinge gleichzeitig und in verschiedenen Rollen, zwischen mehreren Projekten, in denen ich verschiedene Funktionen erfülle (von den privaten Rollen mal ganz abgesehen). Das ist keines meiner Alleinstellungsmerkmale; im Gegenteil: Mir geht es wie den meisten Menschen, die in der Freien Szene arbeiten. Ich glaube, dass das Schillern in der Selbstverortung und das Leben zwischen häufig wechselnden und unbeständigen Arbeitssituationen bezeichnend ist für dieses Feld, in dem sich doch alle permanent in Zwischenräumen und -zuständen bewegen.

Dass Zwischenräume mit Blick auf die aktuelle Fördersituation auch eine existenzielle Bedrohung sein können, wird gerade jetzt deutlich, wo der Tanz aufgrund von unzureichenden Mitteln und drohenden Kürzungen auf wackeligen Beinen steht. Welche konkreten Auswirkungen das hat, zeigt der Artikel Zwischen den Stühlen, eine Sammlung gemischter Statements von Tanzschaffenden und Organisationen der Freien Szene, die von ihren persönlichen Situationen in nicht freiwillig gewählten Zwischenphasen und von den dringend zu schließenden Lücken im Fördersystem berichten. Was die Zwischen-Verortung im Beruf der Freien Dramaturg*in bedeutet, fragt sich die Tanzdramaturgin Isabel Gatzke, die in ihrem Text D wie … Dazwischen, Dramaturgie und do or die über Dramaturgie als prozessorientierte Praxis nachdenkt – und über das schmerzhafte Erkennen der Endlichkeit dieser Praxis, die sich an einem unsicheren, episodischen Ort befindet. Auch die Künstlerin Isabel Lewis ist Expertin für Zwischenräume: Ausgebildet in Tanz, Literaturwissenschaft und Philosophie, arbeitet sie heute zwischen verschiedenen Sparten und Kontexten und bewegt sich an den Rändern des Choreografischen. Ich spreche mit ihr über ihren künstlerischen Zugriff auf Tanz, Körper und soziale Räume und über ihr Leben als Grenzgängerin zwischen Tanz und Bildender Kunst, Bühnen- und Ausstellungskontexten, Universität und Freier Szene. Unsere Kolumnistin Parvathi Ramanathan schreibt in ihrem Text Dancing in between Nation-States über die Bedeutung von Volkstänzen im nationalen Vergleich und stößt während ihrer Beobachtung des deutschen Tanzerbes zwischen traditionellem Schuhplatteln und Side-Bop- Moves zu Technobeats auch auf Widerstände.

Es ist so weit, die dunkle Jahreszeit beginnt. Tage werden kürzer und Nächte länger – ein Grund mehr, ins Theater zu gehen. Schaut Euch Tanz an! Im Tanzkalender in der Heftmitte findet Ihr alle in Berlin und Potsdam stattfindenden Veranstaltungen plus sechs Kurzvorschauen auf Premieren und Festivals im November und Dezember.

Ich wünsche den Berliner Tänzer*innen und Choreograf* innen gutes Gelingen in den kulturpolitischen Kämpfen, die bis zum Jahresende anstehen. Euch gleichzeitig eine stressarme Vorweihnachtszeit und eine erholsame Zeit zwischen den Jahren. Auf dass wir Kräfte bündeln, uns gemeinsam für eine bessere Zukunft für den Tanz einsetzen und dabei gut aufeinander aufpassen.


Bis zum nächsten Jahr!
Johanna Withelm

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