KA MOUNTAIN AND GUARDenia TERRACE: a story about a family and SOME people changing by Robert Wilson. A 168-hour play for the 1972 Shiraz Arts Festival.

Ende Februar zeigt der Tänzer und Choreograf Armin Hokmi in der Tanzfabrik Berlin seine Arbeit Shiraz, in der er sich mit seinem Team auf die Spuren des Shiraz Arts Festival begibt, das ab 1967 im Iran stattfand und 1977 verboten wurde. Für das tanzraum-berlin-Magazin schreibt er über seinen künstlerisch-forschenden Zugriff auf das Festival als tanzhistorische Quelle und stellt die Frage, wie die vorherrschenden Repräsentationsmodi der Live Arts mit politischen Machtfragen verknüpft sind – damals wie heute.

Text: Armin Hokmi
Tänzer und Choreograf

 

Für das Stück Shiraz dient das Shiraz Arts Festival (1967-1977) als Ausgangspunkt und Inspiration. Das Festival für Live Arts, das 11 Jahre lang stattfand, hat die Beziehung zwischen Publikum und Präsentation von Künstler*innen und künstlerischen Arbeiten mit vielfältigen Genealogien radikal überdacht. Dies tat es mit unerschütterlicher Liebe zu den unbestimmten Qualitäten dieser Begegnungen.

Im Licht dieses Festivals erscheint Shiraz als Tanzperformance voller Spuren, Einflüsse und Markierungen, eindringlicher Energie und mit einer kontinuierlichen Entwicklung während des gesamten Stücks. Die Choreografie folgt einer Orchestrierung zwischen sechs Tänzer*innen, die unterschiedliche Prägungen sowie Verkörperungen verschiedener Gesten, Synchronizitäten und Haltungen sichtbar macht. Die Aufführung zollt dem historischen Ereignis von damals Tribut und verortet es in unserer heutigen Zeit.

Das Shiraz Arts Festival entstand aus einer Reihe von Bestrebungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es versuchte seine eigenen Denkansätze gegen den damals herrschenden Kalten Krieg und die politische Realität im Iran zu finden. Es widersetzte sich den Konventionen und Konservativismen der Live Art und der Beziehung zur Öffentlichkeit, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene.

Zusammen mit Projekten, die als Schwesterinitiativen bezeichnet werden könnten – FESTAC 77, das Panafrikanisches Festival von Algier 1969, das Festival Dakar 66 sowie Belgrad (BITEF) – wurde Raum geschaffen für künstlerische Begegnungen und für die Demokratisierung im Hinblick auf eine zunehmende Repräsentation aller Kontinente und künstlerischen Genealogien. Ziel war es, die Affirmation von Rasse, Ethnozentrismus und Regionalität zu umgehen. Das Shiraz Arts Festival hatte einen besonderen politischen Hintergrund: Sein künstlerischer und politischer Auftrag war von kulturellem Partikularismus geprägt, nicht aber von der Abgrenzung der Unterschiede. Es wurde zu einem Projekt der optimistischen und ergebnisoffenen Forschung, der universellen interkulturellen Verbindung, der durchdringenden und zirkulierenden Begegnung heterogener Ausdrucksformen. Es verschrieb sich der Konfrontation von Verschiedenheiten, von konkurrierenden Solidaritäten und wuchernden Visionen. Seine Ziele wurden nicht nur durch die zugrundeliegenden Gedanken und Politiken, sondern auch durch die Künstler*innen, Produktionen und künstlerischen Arbeiten deutlich. Als Projekt wurde und wird es von Staaten, Künstler*innen und religiösen Autoritäten angefochten, was 1977 zu seinem Verbot führte.

Wir blicken auf das Shiraz Arts Festival im Schatten dessen zurück, wo wir heute stehen, gerade wenn es um Repräsentation, Formen der öffentlichen Ansprache und die Rolle von Tanz und Choreografie und ihre Dringlichkeit, Autonomie und Macht geht. Vor allem in Kontexten, die wir als inter- und transnational bezeichnen und betrachten. Wo wir uns noch mit Hierarchien des Internationalismus auseinandersetzen, und in Repräsentationsformen stolpern, die von Exotismus und Fetischisierung geprägt sind – und mit der unendlich schwierigen Aufgabe konfrontiert sind, uns der Komplexität in Bezug auf die öffentliche Rahmung von Künstler*innen und künstlerischen Arbeiten zu stellen. Dort wo Tendenzen zur Vereinfachung und Unterwerfung künstlerischer Ausdrucksformen herrschen und Klischees in Bezug auf Identität, Körper und Nationalität. Und dort, wo es Erwartungen an den Tanz und die Choreografie gibt, eher den politischen als den künstlerischen Dringlichkeiten gerecht zu werden.

Ist das Publikum also in der Lage, seine eigene Art der Orientierung gegenüber dem Tanz und der Choreografie zu entwickeln? Unbedingt.

Ist die Nichtreduzierbarkeit des künstlerischen Ausdrucks auf die Bestätigungen von Positionen anzuerkennen? Sicher.

Braucht es ein Bekenntnis zu Tanz und Choreografie als autonome Praktiken und eine Ablehnung der Notwendigkeit, diese zu verkleiden? Kategorisch.

Braucht es eine Wertschätzung der transformativen Kraft des Fabulierens, insbesondere im Hinblick auf Authentizität und kulturelle Repräsentation? Wahrhaftig.

Ist der Mythos aufzugeben, dass jede Kunst von People of Color eine Form kryptischer Artikulation der heftigen rassistischen Dynamik ihres Lebens ist oder sein sollte? Ja bitte.

 

Referenzen

Die Forschung zum Shiraz Arts Festival und seiner archivarischen Überreste fand im Gespräch mit Vali Mahlouji – Archaeology of the Final Decade (AOTFD) – statt.

 

 

Shiraz von Armin Hokmi

29.2. - 2.3.2024

Tanzfabrik Berlin

www.tanzfabrik-berlin.de

 

 

 

 

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